Hund beißt über den Zaun – und das Gericht spricht den Halter frei

Ein Passant wird von einem Hund in den Oberarm gebissen – über einen rund 1 Meter hohen Zaun hinweg. Der Halter wird wegen fahrlässiger Körperverletzung durch das Amtsgericht verurteilt. Doch das Landgericht sieht das anders – und hebt zutreffend die Entscheidung des Amtsgerichts auf.

Der Fall im Überblick:

Im Strafbefehl und im späteren Urteil des Amtsgerichts wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, es pflichtwidrig unterlassen zu haben, einen Biss seiner freilaufenden Hündin zu verhindern. Die Hündin – eine Deutsch Drahthaar – habe sich mit den Vorderpfoten am Zaun aufgerichtet und einen auf dem Gehweg vorbeigehenden Passanten über den Zaun hinweg gebissen. Zuvor habe es keine Hinweise auf eine Aggression der Hündin gegeben.

Das Amtsgericht verurteilte den Hundehalter zu 35 Tagessätzen Geldstrafe – wegen fahrlässiger Körperverletzung. Dagegen legte der Angeklagte Berufung ein – mit Erfolg.

Das Landgericht entschied: Freispruch

Zwar stellte das Gericht fest, dass der Hund den Passanten unvermittelt und ohne akustische Vorwarnung gebissen hatte. Auch handelte es sich um eine nicht unerhebliche Verletzung. Dennoch fehlte es an einem entscheidenden Punkt: dem Nachweis der Fahrlässigkeit.

Die Begründung des Gerichts:

Der Hund war zuvor nicht auffällig geworden. Weder beim Ordnungsamt noch aus Sicht des Halters lagen Hinweise auf ein besonders aggressives Verhalten vor.
Eine tierärztliche Sachverständige erklärte, dass ein 1 m hoher Zaun für Hunde dieser Rasse ausreichend sei – solange keine konkrete Gefährdungslage bekannt ist.
Zwar schilderte eine Nachbarin früheres bedenkliches Verhalten des Hundes – hatte den Halter aber nie darüber informiert.
Der Hundehalter befand sich zum Tatzeitpunkt auf der anderen Seite des Grundstücks. Da der Hund weder bellte noch knurrte, gab es für ihn keinen Anlass zur Annahme, dass eine Gefahr bestand.

Das Landgericht betonte zutreffend: Eine Verurteilung wegen Fahrlässigkeit erfordert die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Geschehens. Beides konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Leider werden häufig vorschnell Hundehalter strafrechtliche Vorwürfe gemacht, wenn es zu einem Biss gekommen ist.

Nach dem Urteil: Konsequenzen gezogen

Auch wenn der Vorfall aus damaliger Sicht nicht vorhersehbar war, hat der Hundehalter nachträglich gehandelt: Der Zaun wurde auf Empfehlung der Sachverständigen auf 1,50 m erhöht, um zukünftige Vorfälle auszuschließen.

Ein interessantes Urteil zur strafrechtlichen Verantwortung von Hundehaltern:
Nicht jeder Hundebiss führt automatisch zu einer Verurteilung.
Entscheidend ist, ob dem Halter das Verhalten vorhersehbar und vermeidbar war. Die Entscheidung macht abermals deutlich:
Nicht jeder Fehler oder jede Nachlässigkeit führt automatisch zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Entscheidend ist, ob gerade dieser Fehler den Schaden verursacht hat – und ob der Hundehalter für das gesamte Geschehen verantwortlich gemacht werden kann.

LG Münster, Urteil vom 28.09.2015 – 15 Ns 82 Js 8557/14 (6/15)



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